Die deutsche Parkinson Vereinigung Hamburg (DPV) hat mit der jährlichen "Infoveranstaltung für Junge Parkinsonkranke des Nordens" eine tolle Möglichkeit der Vernetzung und Information für diese kleine, aber wachsende und sehr agile Gruppe an Parkinson-Erkrankten geschaffen. Ich war gestern das erste Mal bei dieser Veranstaltung in den Räumen der Asklepios-Klinik Harburg und zunächst auch etwas skeptisch, da gerade letzte Woche die Hauptveranstaltung der DPV in der Handwerkskammer Hamburg mich nicht allzusehr angesprochen hat.

Heute, im nachhinein, kann ich sagen, dass es unter anderem mit der Zielgruppe der Veranstaltung zusammenhing. Schade, dass ich kein Foto von dem Meer an weißhaarigen Köpfen im großen Vortragssaal der Handwerkskammer gemacht habe. Das war sehr beeindruckend. Im Vergleich dazu, lag der Altersdurchschnitt gestern weit unter der Silberhaar-Grenze.

Der Saal brummte, die Stimmung war positiv und erwartungsvoll. Es wurde viel gesprochen, gegrüßt, gelacht. Die beiden Giselas und ich wurden sofort von Bekannten in Empfang genommen. Ich bin noch nicht lange in der Parkinson Selbsthilfe unterwegs, aber ich muss sagen, ich habe lange nicht so viele Leute kennengelernt, wie im letzten dreiviertel Jahr.


Die Räume im Medizinzentrum der Harburger Klinik sind verhältnismäßig klein, weshalb eine Anmeldung zu der Veranstaltung erforderlich ist. Der Vorteil ist, dass die Atmosphäre dadurch gleich einen familiären Charakter bekam. Nicht zuletzt auch wegen der freundlichen Begrüßung von Beate Kahlau, Vorsitzende der Parkinsonvereinigung Hamburg.

Die geballte Parkinson-Kompetenz der norddeutschen Tiefebene

Die Vortragenden kamen aus der ganzen Region: Hamburg, Kiel, Bad Segeberg, Bremen. Angefangen hat Prof. Töpper des AK Harburg und Gastgeber der Veranstaltung. Er hielt einen überaus interessanten und ehrlichen Vortrag über den traurigen Untergang der dopaminerger Zellen. Er hat es tatsächlich geschafft, einen äußerst komplizierten Vorgang, der sich in unseren Zellen abspielt so anschaulich (und mit sehr beeindruckender und unkonventioneller Bebilderung) zu erklären, das ich nicht, wie so oft bei medizinischen Vorträgen, dazu neigte wegzunicken und mich auf dem Grundrauschen des Saales davonschaukeln zu lassen, sondern konzentriert zuhörte - und mir sogar vieles merken konnte. Ich habe aus diesem Vortrag gelernt, dass es noch immer keine Medikamente gibt, die das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten können. Nicht mal das vielgelobte Azilect / Rasagilin kann dieses Versprechen halten. Dafür aber, und in diesem Punkt waren sich alle Vortragenden einig, ist Sport bis heute die einzige wissenschaftlich nachgewiesene Möglichkeit, den Prozess zu verlangsamen.

Intensiver Sport ist das A und O

Also Leute, schwingt euch auf das Trimmrad oder das Laufband oder geht am besten gleich drei Mal in der Woche in die Muckibude und bringt euer System zum schwitzen! Denn nur durch intensiven Sport (was ich persönlich ja meide wie die Pest!) kann man einen nachweislich positiven Effekt erzielen. Wenn man nebenbei noch fleißig Kaffee trinkt, hat man als Parki alles Machbare getan, um das Immunsystem zu stärken und den "protektiven Effekt", den die Medikamente nicht leisten können, herbeizuführen.

Über die folgenden Vorträge will ich nicht so ausführlich berichten, sie waren aber allesammt gerade für Jung an Parkinson erkrankte Leute sehr interessant und brachten auch neue Blickwinkel isn Spiel. Dr. Buhmann von der Universitätsklinik Eppendorf in Hamburg stellte zum Beispiel die Ergebnisse einer Studie über Parkinson und Sexualität vor. Durch die klare Differenzierung der Geschlechter in ihrem Umgang mit der Sexualität und im Zusammenspiel mit Parkinson stellte die Studie heraus, dass es durchaus auch zu positiven Entwicklungen zwischen den Paaren kommen kann, gerade durch den Parkinson. Es wird mehr über Gefühle gesprochen, Zärtlichkeiten ausgetauscht und mehr Zeit miteinander verbracht. Dennoch sind auch Schmerzen damit verbunden, psychische Störungen und je mehr Medikamente genommen werden, desto instabiler die Parnerschaft.

Es gab noch weitere Vorträge zum Schwerpunktthema Tiefenhirnstimmulation von Prof. Witt aus Kiel und Frau Dr. Odin aus Bremen - wo die Paracelsus-Klinik vor zwei Jahren begonnen hat ihre Kompetenzen in Sachen Parkinson auszubauen. Sehr interessant war der Vortrag von Frau Sengstacke, die schon sehr jung an Parkinson erkrankt war und deshalb heute mit einem sehr reichen Erfahrungsschatz über die verschiedenen Therapieformen verfügte. Eine sehr beeidruckend starke und bewundernswerte Frau, die mir viel Mut machte.

Ein bewegungsreicher Abschluss des Tages

Der Tag endete mit zwei ganz praktischen Vorträgen. Der eine zeigte die Vorteile des Tanzes als sinnvolle Begleittherapie auf. Soi Anifantis, zweite Vorsitzende des noch recht jungen aber äußerst erfolgreichen Hamburger Vereins Projekt:Tanz  - Tanzen mit Parkinson, forderte auch gleich das Publikum auf, einige Übungen zu machen und einfach selbst zu erfahren, welche Wirkung der Tanz und die Musik auf sie haben. Ich glaube wir waren alle sehr erleichtert, dass wir die Möglichkeit bekamen, uns nach dem langen Sitzen zu bewegen. Soi hatte auch die in diesem Jahr produzierte Übungs-DVD mitgebracht und verteilt, die Dank der Unterstützung des DPV, der Hilde-Ulrichs-Stiftung, der Techniker Krankenkasse und einigen Privatspenden kostenfrei abgegeben werden kann.

Soi Anifantis von Projekt:Tanz e.V. : "Tanz ist nicht nur Therapie, Tanz bedeutet auch Kunst erleben und Spaß haben."

Im abschließenden Vortrag des Tages stellte Frau Dr. Hollinde vom Nuerologischen Zentrum in Bad Segeberg das Begleitprogramm vor, das üblicherweise bei einer Reha-Maßnahme in einer Parkinson Spezialklinik angeboten wird und welche Möglichkeiten es gibt, diese "mit nach Hause zu nehmen".

Zwischen den Vorträgen gab es Pausen, um frische Luft zu schnappen, und mit anderen ins Gespräch zu kommen. Diesen Part fand ich sehr spannend, dann es waren tatsächlich Leute aus dem gesammten Nordeutschen Raum anwesend. Wir Hamburger bekamen auch immer wieder zu hören, wie gut es uns ginge, da die Angebotslage für Jung an Parkinson Erkrankte im ländlichen Raum und in den kleineren Städten, sehr schlecht ist. Viele von ihnen müssen lange Fahrten und weite Wege auf sich nehmen, um an Kursen oder Workshops teilzunehmen. In diesem Zusammenhang ist es toll, dass es Initiativen wie Jung und Parkinson oder Parkinson Online gibt, die einen ganzen Blumenstrauß an differenzierten Online-Angeboten anbieten können, wie Tai Chi Videos oder Chattreffen für den gegenseitigen Austausch.

Insgesamt war die Stimmung freundlich und offen. Die Vorträge waren gut aufeinander abgestimmt und interessant. Dennoch wären längere Pausen, ein alternatives Format oder zwischendurch ein paar kleine Bewegungsübungen hilfreich gewesen, das Energielevel hoch zu halten. Ich hätte gerne mit dem einen oder der anderen etwas länger gesprochen. Aber das ist jetzt Jammern auf hohem Niveau. Ich werde auf jeden Fall nächstes Jahr wiederkommen.