Diesen Post habe ich vor langer Zeit geschrieben und hatte nicht den Mut ihn zu veröffentlichen. Heute ist ein guter Tag dafür, so wie es sicherlich jeder andere auch gewesen wäre. Los geht's:

In einer der letzten Ausgaben des Online Magazins "Parkinson's Life wurde berichtet, dass die Crew eines Ryanair Flugs in Großbritannien sich geweigert hat, einen Passagier mit Parkinson an Bord zu lassen, weil sie dachten er sei betrunken.

Dieser Fall löste eine große Welle der Empörung in den britischen sozialen Medien aus und ich frage mich, wie die Öffentlichkeit in Deutschland auf einen solchen Fall reagiert hätte. Wahrscheinlich wäre er im schlimmsten Fall gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt und die betroffene Person hätte alleine mit dem Problem klar kommen müssen (im besten Fall hätte es eine kleine Zeitungsmeldung dazu gegeben).

Es ist kein Einzelfall, dass Parkinson mit Alkoholismus verwechselt wird. Die Symptome sind auf den ersten Blick sehr ähnlich (bis auf die fehlende Fahne).  Dann wird getuschelt, oder es werden Blicke geworfen, aber es kommt niemand auf die Idee, die Person anzusprechen: "Was ist mit Ihnen los? Haben Sie evtl. Parkinson?" Wir Parkis beißen nicht. Man sagt uns sogar nach, wir seien die allerliebsten Neuro-Patienten im ganzen Universum. Das weiß nur niemand außerhalb unserer kleinen Welt. Wir sind vergleichbar mit den Hobbits im Auenland: Freundlich, friedlich und zurückhaltend. Eigentlich sollte in dem Beispiel die Person mit Parkinson den ersten Schritt tun: "Hallo, ich habe Parkinson", oder falls das nicht möglich ist, ein T-Shirt tragen mt dem Aufdruck: "Geschüttelt, aber ungerührt", "Achtung, die Parkis kommen" oder "Schon mal was von Parkinson gehört?"

Es ist schon seltsam, wie in Deutschland mit den chronischen Krankheiten umgegangen wird. Den Kassen wird es auf Dauer teuer, die Betroffenen bleiben lieber für sich oder unter sich. Im Alltag wird es, soweit möglich, unter den Teppich gekehrt, nach dem Motto: meine Krankheit ist meine Privatsache. Hallo? Und was ist mit der Gesundheit? Die geht doch wohl alle etwas an. Und um die Gesundheit zu bewahren, muss etwas in Bewegung gesetzt werden. Und das ist nur  möglich, wenn Bewusstsein und Unterstützung aus der Öffentlichkeit da sind. Siehe zum Beispiel HIV und Aids. Ohne den öffentlichen Druck wären wir lange nicht dort, wo wir jetzt im Kampf gegen diese Krankheit sind. Es gibt so viele positive Beispiele, wie man sich in der Öffentlichkeit für mehr Aufklärung, Forschung und Mittel einsetzen kann. OK, leider können wir hier nicht mit einem Mohammed Ali oder Michael J. Fox aufwarten, die ihr Leben der Aufklärung und Forschung für diese Krankheit verschrieben haben. Andererseits haben wir in Deutschland immerhin rund 250.000 bis 400.000 Betroffene! Das sind ganz schön viele potentielle Aktivistinn*en, da  muss doch was zu machen sein.

Es gibt ja schon erste mutige Versuche, dieses Thema an die Öffentlichkeit zu bringen, mit Galas, Spendenläufen und anderen Ideen, die super sind und durchaus noch wachsen können. Dennoch bleibt noch heute diese Krankheit erschreckend unbekannt und tabuisiert. Ich werde oft angeflüstert: "Also, wie geht es dir denn mit dieser Sache, die du da hast?", als ginge es um Ihn-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf aus Harry Potter. Viele Menschen mit Parkinson bleiben lieber Zuhause in ihren Wohnungen, weil sie sich den Blicken der Passanten nicht aussetzen mögen, was ich sehr gut verstehen kann. Aber gerade deshalb ist es wichtig, die Initiative zu ergreifen und aufzuklären, den Leuten zu erklären, was Parkinson ist, warum wir schlurfen, zittern, zappeln, Hörner haben und böse gucken.

Es fehlt an Aufklärung und es fehlt die Lobby für die Betroffenen, zum Beispiel die First Lady, die sich für das Thema einsetzt oder die bekannte Schauspielerin, die eine Lesetour macht. Kann nicht Till Schwaiger einen Film darüber drehen? Es fehlen die unabhängigen Sponsoren, die Aufklärungskampagnen finanzieren. Vergesst nicht, Parkinson ist die zweithäufigste neurologische Krankheit in Deutschland - mit steigender Tendenz. Und der Anteil der jung an Parkinson erkrankten Menschen steigt erschreckend an. Es ist nicht mehr der Tatterig von Opa, der belächelt wird, weil er so süß mit der Kaffeetasse klappert. Es ist die mitten im Beruf stehende junge Frau, die ihr Leben ganz normal leben möchte. Zum Beispiel.

Die Öffentlichkeit ist viel besser informiert über Demenz und seine Symptome, oder kann sich ein ungefähres Bild von MS machen. Aber Parkinson? Das ist ein schwarzes Loch - oder ein weißes Blatt, je nachdem. Viele Leute assoziieren mit Parkinson den Tremor oder den schlurfenden Gang. Dass es noch viel mehr Symptome gibt, die auch wesentlich stärker einschränken können, davon hat außerhalb der betroffenen Community noch niemand gehört. Um etwas in Bewegung zu setzen, müssen wir Parkis aktiver werden. Es ist erfolgversprechend, sich zu engagieren oder jemanden zu finden, der sich in unserem Namen engagiert, damit die Forschung in unserem Sinne voran getrieben wird, damit mehr in Begleittherapien investiert wird und den Pharmakologen auf die Finger geschaut wird, eine Lobby aufgebaut wird, um die Politik beeinflussen zu können, Kampagnen zu starten, Aktionstage auszurichten, die der Öffentlichkeit zugewandt sind. Klotzen statt kleckern, das wäre soooo cool!

Puh, tut das gut, Dampf abzulassen. Ich hoffe ich habe keinen Kahlschlag hinterlassen und unbewusst das eine oder andere zarte Pflänzchen zertreten. Meine Absicht war es (außer Dampf abzulassen)  Impulse zum Handeln zu setzen. Denkanstöße zu geben, damit die Parkinson Community aus ihrem Schneckenhaus herauskommt und anfängt wirklich etwas zu bewegen. Und wenn ihr schon dabei seid etwas aufzubauen und zu bewegen, dann habt ihr meine volle Unterstützung. Macht unbedingt weiter!
Falls ein potentieller Sponsor das hier liest: Es lohnt sich unbedingt, für die Menschen mit Parkinson etwas zu bewegen! Und wo ich schon dabei bin, an die großen Museen: Eine Sonderausstellung mit den Kunstwerken von Menschen mit Parkinson lohnt sich ganz bestimmt (Mehr Infos hier).

Wenn ihr mich tatsächlich bis hierher, an das Ende des Beitrags begleitet habt: Ganz, ganz lieben Dank für's mitkommen.